Allgemeines zum Stretching

Ich bin von Natur aus ein überdurchschnittlich beweglicher Mensch. Der Begriff Beweglichkeit umfasst zwei verschiedenen Komponente, die Dehnfähigkeit und die Gelenkigkeit eines Körpers.  Einige Bereiche von meinem Körper sind sehr dehnfähig und andere Teile sehr gelenkig. Während sich die Dehnfähigkeit auf den aktiven Bewegungsapparat (Skelettmuskulatur, Faszien, Sehnen, Bänder) bezieht hat die Gelenkigkeit mit dem passiven Bewegungsappart (Skelett, Knochen, Knorpel, Bandscheiben,  Gelenken) zu tun. Sehr gelenkig bedeutet nicht gleich sehr dehnfähig oder umgekehrt. Natürlich erleichtert und fördert beides die Arbeit an und mit der Mobilität.

 

Ich gebe an diversen Orten Stretchingstunden und Workshops und treffe dort immer wieder auf die unterschiedlichsten Körperstrukturen und körperlichen Verfassungen. Der allgemeinen Einstellung, dass Ueberbeweglichkeit etwas durchweg Positives ist muss ich aber vehement widersprechen. Sobald eine grössere Mobilität als "normal" vorliegt kann das auch höhere Instabilität, grössere Belastung und Abnutzung der Gelenke und erhöhtes Verletzungsrisiko bedeuten. Ich kenne sehr viele Menschen welche in bestimmen Bereichen ihres Körpers eine starke Beweglichkeit vorweisen jedoch zu wenig Stabilität und Muskulatur besitzen um mit dieser korrekt, gezielt und vor allem kontrolliert und sicher trainieren zu können. Ich gehörte früher ebenfalls in diese Kategorie. Es ist natürlich sehr reizvoll sich bequem in einen Spagat oder einen Bruststand gleiten  und quasi "reinhängen" zu lassen. Das alles ist aber mit einem sehr hohen Verletzungsrisiko verbunden, wenn man nicht in der Lage ist diese Formen mit aktiver Muskelkraft zu halten und zu steuern oder gewisse Fehlstellungen selbständig fühlen und korrigieren zu können. Mag sein dass Sie ohne Probleme auf diese Art und Weise Ihre Beweglichkeit jahrelang trainiert haben ohne sich dabei verletzt zu haben. Dies bedeutet aber nicht, dass Ihr Körper nicht bereits Schwachstellen oder Schäden vom flaschen Trainieren davon getragen hat. Glauben Sie mir, diese Missstände machen sich früher oder später bemerkbar.

 

Das Training mit der Beweglichkeit braucht sehr viel Zeit und Geduld. Wenn Sie beginnen Ihre Mobilität/Beweglichkeit zu steigern bemerken Sie in den ersten zwei bis drei Monaten eine rasche Verbesserung. Dies geschieht aus folgendem Grund, diese Mobilität war bereits in Ihren körperlichen Strukturen vorhanden. Sie wussten es schlichtweg nicht, da Sie weniger in diesem Bereich mit Ihrem Körper gearbeitet haben und sich dessen nicht bewusst waren. Sehr wahrscheinlich wird diese Veränderung nicht in diesem Tempo weiter voranschreiten. Die Bindegewebehaut, welche den Muskel umschliesst und ihn immer wieder in seine ursprüngliche Form zurückzieht, benötig zwischen 300 und 700 Tage um die Basis einer Grundformerweiterung zu zu lassen. So kann es gut sein, dass Sie innert weniger Monate auf dem Weg zu Ihrem Spagat rasch Bodennähe erlangen, für die letzten zwei Zentimeter jedoch ein Jahr oder  mehr benötigen. Das kann an manchen Tagen wahnsinnig frustrierend sein, aber wenn Sie ein Ziel oder Meilenstein erreicht haben ist das ein unbeschreibliches Gefühl. Es ist wahrlich ein Kampf um cm.

 

Stretching ist nicht nur ein Dehnprozess, sondern hat ebenfalls sehr viel mit dem Aufbau der Halte- und Tiefenmuskulatur zu tun. Ich bin eine Verfechterin der Trainingsmethode das Strechting zusammen mit Kraft trainiert werden muss um das mögliche Verletzungsrisiken so tief wie möglich zu halten und vor allem die Uebungen korrekt ausführen zu können. Die Sicherheit der Gesundheit steht über allem. Deswegen beinhaltet mein Trainingskonzept nebst Beweglichkeitsübungen auch kombinierte Mobilitäts-Kraftübungen. Sehr gute Ansätze für solche Uebungen kommen aus dem Calisthenics und aus dem Animal Flow. Eigenkörpergewichtsübungen, welche stark in die Tiefenmuskulatur eingreifen und die Körperwahrnehmung sehr positiv beeinflussen können. Ein weiterer attraktiver Effekt ist das Bodyforming welches diese Uebungen forcieren. Das Kraft-Beweglichkeits-Training hat bei mir eine bessere Körperhaltung hervorgerufen und dadurch meine Silhouette und mein Erscheinungsbild verfeinert.

 

Natürlich spielt bei der Beweglichkeit unser Alter eine Rolle. Wussten Sie dass bereits ab dem 10ten Lebensjahr unsere Beweglichkeit wieder abnimmt?! Grundsätzlich sind wir bis an unser Lebensende in der Lage an unserem Körper zu arbeiten. Es ist schlichtweg der Faktor Zeit , welcher ein Hinderniss darstellt. Denn mit steigendem Alter benötigt der Körper länger um neue Dinge zu erlernen und vor allem auch umsetzten zu können. Aber selbst mit 70 Jahren sind  Sie noch in der Lage einen Spagat trainieren und erlernen zu können. Es steht ausser Frage, dass die gesundheitlichen Voraussetzungen gegeben sein müssen, aber diese Rahmenbedingen haben jüngere Menschen auch.

 

Zu berücksichtigen ist auch, dass unser Körper nicht jeden Tag in der gleichen Verfassung ist und darum nicht jeden Tag die gleichen Leistungen erbringen kann. Gerne möchte ich beim Beispiel Spagat bleiben. Es kann gut sein das Sie am Vortag bei Ihrem Spagattraining nur 3cm Bodenabstand hatten und im heutigen Training wieder 10cm.  Solche Rückschläge sind normal und gehören, wie bei jedem andern Sport auch, zum Trainingsprozess dazu. In dem Fall sanft dehnen. Entweder löst sich der erhöhte Muskel-Tonus während des Trainings und wenn nicht dies niemals erzwingen, sondern akzeptieren und lieber am nächsten Tag wieder neu versuchen. Der Heilungsprozess eines Muskelfaserrisses dauert Ewigkeiten und im schlimmsten Fall heilt er nicht mehr ganz aus................................

 

Sobald wir beginnen an unserem Körper zu arbeiten unterliegen wir einem ständigen Lernprozess. Und dieser Lernprozess verlangt nach laufenden Anpassungen und dem Setzen von neuen Reizen. Dies bedeutet auch das nicht jede Uebung bei jedem die gleiche Wirkung erzielt oder dass Ihnen diese Uebung erst zu einem späteren Zeitpunkt den erhofften Effekt bringt. In diesem Fall benötigte der Körper eine gewisse Vorbereitung um der neuen Forderung und Beanspruchung der Uebung gewachsen zu ein.  Quasi eine Vorübung für das Erlernen einer neuen Uebung..........................

 

Und nein es gibt leider keine  "Abkürzung" wenn es um das Steigern der Mobilität und Beweglichkeit geht. Kontinuität  und das unermüdliche Trainieren von Basics ist ausschlaggebend. Wenn Sie effektiv auf ein Ziel hin arbeiten sind mindestens 40 Minuten vier bis fünf mal pro Woche Beweglichkeits-Training unumgänglich. Es gibt keine Wunderübungen und es gibt keine Zaubermittel, welche Ihnen einen rascheren Erfolg beschehren können. Ihr Ehrgeiz und Durchhaltewille werden in der Mobilität und Beweglichkeit gefordert. Und Finger weg von so genannten Stretching-Wunder-Pillen! Ernähren Sie sich gesund und ausgewogen und geben Sie Ihrem Körper die Zeit, die er benötigt.

 

Unter der Rubrik Do's & Don'ts finden Sie eine persönliche Auflistung von Ratschlägen, welche ich Ihnen ans Herz legen möchte.

 

Das Beweglichkeitstraining hängt ebenfalls sehr stark von unserem Gedankengut und von der Atmung ab. Sobald Sie nicht mehr atmen kontraktiert die Muskulatur. Das bedeutet sie zieht sich zusammen. Und einen kontraktierten Muskel kann man nicht dehnen. Natürlich gibt es Dehn-Uebungen wo ein bestimmter Muskel kontraktiert wird, diese geschieht aber bewusst und gewollt. Die Kontraktion, wo aus dem Verweigern der Atmung entsteht hat so gar nichts mit bewusster Muskel-Kontraktion zu tun. Unter der Rubrik "Atmung" finden Sie eine kleine Uebung wie Sie bewusstes Atmen lernen können und was die Atmung für Ihre mentale Stärke und  Ihren Körper bedeuten kann. 

 

Unser Mentales "Nein" ist ebenfalls eine sehr grosse Herausforderung im Beweglichkeitstraining. Viele von uns lieben das Muskelbrennen nach einem intensive Training, doch vor dem Dehnschmerz schrecken wir unwillkürlich zurück. Das Gefühl der Dehnung wird von den meisten als unangenehmer empfungen als der "Pump-Schmerz" eines Muskels. Ich kann Ihnen nicht sagen woran dass das liegt. Eine mögliche Erklärung kann das Bodyforming sein. Beim Beweglichkeitstraining haben Sie nicht diesen rasch sichtbaren muskulären Erfolg wie wenn Sie mit Gewichten trainieren. Vielleicht fällt es uns deshalb leichter mit dem einen Schmerz umzugehen und diesen in Kauf zu nehmen, da wir damit  einem rascheren sichtbaren Körper-Erfolg assoziieren können ................................ Aber zurück zum mentalen "Nein". Von unserem Gehirn werden bereits Schmerzimpulse über die Nervenbahnen geleitet bevor wir unsere Beweglichkeit vollumfänglich ausgeschöpft haben. Wenn wir unter Vollnarkose sind ist unser Körper zu viel komplexeren und ausführlicheren Bewegungen möglich, als im bewussten und wachen Zustand. Und das nur weil unser Gehirn bereits vorgängig einen Dehn-Schmerz-Impuls auslöst. Natürlich hat dieser Vorgang mit dem Schutz der Gesundheit unseres Körpers zu tun, doch ist noch ein grosser Spielraum offen zwischen dem Senden dieses Signals und dem körperlich möglichen Beweglichkeitsradius bevor wir mit einer Uebung in eine gesundheitsgefährdende Bereich kommen würden. 

 

Falls Sie ein persönliches Beweglichkeitsziel haben, sei es ein Spagat oder eine Brücke etc ist es sehr wichtig, dass nicht nur dieser Bereich in der Mobilität trainiert wird, sondern auch die Gelenke und Muskulatur, welche sich in Verbindung und unmittelbarer Nähe zu dieser Körperzone befinden. Wenn Sie zum Beispiel eine Spagat erlernen möchten, sind es nicht nur die Beine, welche im Training besonderer Aufmerksamkeit bedürfen, sondern Ihre Hüfte und der untere Rücken sowie Ihre Füsse bis in die Zehenspitzen sind gefragt. Wenn Sie eine Brücke lernen möchten, dann braucht es quasi Ihren ganzen Körper. Eine Brücke benötigt Schultermobilität, Rückenmobilität, Ihre Hüfte und Leiste werden gefordert ganz zu scheigen von Ihren Bauch und Pomuskeln.................... Sobald sie beginnen Ihre Beweglichkeit nur auf einen Bereich fixiert zu trainieren erhöhen Sie das Verletzungsrisiko und Sie werden früher oder später in der Beweglichkeit stagnieren und keine Leistungssteigerung mehr erfahren. Sowie ein Sprinter seine Kraft der Arme und Schultern benötigt um das volle Leistungspotenzial der Rennbewegung und somit der Geschwindigkeit rausholen zu können, so benötigt das Beweglichkeitstraining ebenfalls die Kraft und Mobilität anderer Körperzonen um die vollen Möglichkeiten ausschöpfen zu können.

 

Und ja wir haben eine "gute" und eine "schlechte" Seite was unsere körperliche Leistungsfähigkeit betrifft. Es ist sehr wichtig dass Sie immer beide Seiten mit der gleichen Intensität trainieren. Auch wenn, zum Beispiel,  die rechte Seite im Dehnprozess unangenehmer ist und uns schwerer fällt als die linke (oder umgekehrt) so werden dort trotzdem die gleichen Zeitspannen eingehalten und die gleichen Uebungen gemacht. Das ist sehr wichtig für Ihren Körper da es sonst zu einer Disbalance kommen kann und Fehlstellungen forciert werden können.

 

Es gibt noch so viel zu erzählen und zu wissen was den Bereich der Beweglichkeitssteigerung und dem damit verbundenen Training betrifft. Ich hoffe ich habe einige interessante Punkte für Sie aufgreifen können. Sobald ich auf weitere wichtige Nice-To-Knows  oder "Erstaunliches aus der Welt des Stretchings" stosse werde ich diese Info natürlich hier ergänzen.